Was ist Pflanzenkohle?

Das Thema „Pflanzenkohle“ erweckt seit Mitte des 20. Jahrhunderts über die (Wieder-)Entdeckung von „Terra preta indigo“, einer sehr nährstoffreichen Erde aus dem Amazonas, in Europa großes Interesse. „Terra preta indigo“ ist ein Erd-Gemisch aus Asche, Biomasse, Küchenabfällen, Verkohlungsrückständen, pyrogenem Kohlenstoff, Knochen, Dung und menschlichen Fäkalien. Diese wurden von Mikroorganismen und Bodentieren über viele Jahre zu einer sehr nährstoff- und humusreichen Erde umgesetzt. Neben dem hohen Nährstoffanteil, enthält „Terra preta indigo“ auch ca. 20% Pflanzenkohle.

Pflanzenkohle, hergestellt aus pflanzlichen Reststoffen, kann als Kohlenstoffsenke im Boden dienen und dem Klimawandels entgegen wirken.

Durch diese Kombination an unterschiedlichen vorteilhaften Eigenschaften von Pflanzenkohle haltiger Erde wird in den letzten 20-30 Jahren verstärkt im Gewächshaus, wie auch zunehmend in Freiland- und Feldversuchen mit Pflanzenkohle geforscht.

Gewächshausversuche

Grundlagensammlung für Feldversuche der Landwirte

  • Gewächshausversuche geben uns die Möglichkeit, auf kleiner Fläche und unter standardisierten Bedingungen mehr über die Eigenschaften, Wechselwirkungen und Auswirkungen von Pflanzenkohle in Bezug auf die angepflanzte Kultur und die sie umgebende Erde zu erfahren.

    Mit Versuchsbedingungen so nah wie möglich an den landwirtschaftlichen Freilandbedingungn gestaltet, ermöglichen wir, Vorhersagen für Resultate zu Feldversuchen in der landwirtschaftlichen Praxis zu erhalten.

  • Ziel ist es, bei jedem Gewächshausversuch so nah an den landwirtschaftlichen Freilandbedingungen zu bleiben wie möglich.

    Dafür verwenden wir :

    – Erde von landwirtschaftlichen Flächen, auf denen auch später mögliche Feldversuche stattfinden könnten

    – Dasselbe Saatgut, wie die Landwirte, von denen wir auch die Erde beziehen

    – Vergleichbare Anwendung:  z.B. Oberflächendüngung oder Wurzelapplikation von Dünger und Pflanzenkohle

    Gleichzeitig ermöglicht uns der Versuch im Gewächshaus,  Einflüsse, wie Temperatur, Feuchtigkeit und Lichteffekte zu standardisieren, um diese – im Vergleich zu Freilandversuchen – für bestimmte Effekte ausschließen/minimieren zu können.

    Sobald sich aussagekräftige Ergebnisse im Gewächshaus zeigen, geht es ab auf das Feld! Denn auch wenn im Gewächshausversuch Temperaturschwankungen, Starkwetterereignisse oder auch wechselnde Lichteffekte größtmöglich auszuschließen sind bzw. gezielt simuliert werden, haben sie einen Einfluss auf die Pflanzenkohle und deren Wechselwirkungen mit der Kultur und dem Boden unter Freilandbedingungen. Das wird im Folgeschritt dann in Feldversuchen weiter untersucht!

  • Eine unserer Fragestellungen ist, ob Pflanzenkohleanwendung im Gemüsebau sichtbare Effekte auf den Ertrag unserer Testkulturen zeigt. Zum Beispiel in Form einer Ertragssteigerung oder einer Qualitätsverbesserung der Früchte. Dafür Erfassen wir z. B. die Größe einzlener Früchte oder die Gesamtmasse.

    Zudem messen wir das Wachstum der Wurzel. Hierbei wird zum Ende des Versuchs die Wurzel ausgegraben und das Aussehen, die Wurzelmasse, die Wurzeldichte und Wurzelgröße erfasst. Die Unterschiede verraten uns, welcher Einsatz der Pflanzenkohle sinnvoll ist und welcher nicht.

    Eine weitere Fragestellung ist, inwieweit Pflanzenkohle durch ihre poröse vergrößerte Oberfläche Einfluss auf die Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen hat? Wir simulieren im Gewächshaus Starkwetterereignisse, messen Bodenwasser oder der Auswaschung von Nährstoffen und können so Rückschlüsse auf die Wirkung der Pflanzenkohle im Boden ziehen.

Feldversuche

Von der Theorie zur Praxis

Pflanzenkohle ist ein wichtiges Werkzeug zur Klimawandelanpassung, wird aber im Gemüsebau bisher kaum eingesetzt. Es fehlt an spezifischem Praxiswissen zur Anwendung, sowie technische Lösungen zur zielgenauen Applikation von Pflanzenkohle, um sie, ähnlich einer Unterfußdüngung, in geringen Dosen wirkungsvoll zum Einsatz bringen zu können.

  • Am Markt gibt es für Landwirte und Hobbygärtner mittlerweile eine Vielzahl an Produkten mit Pflanzenkohle. Angefangen von Pflanzenkohle pur über Düngerpellets bis hin zu fertiger Pflanzerde. Die folgenden Produkte werden bei uns im Projekt untersucht:

    a) Pflanzenkohle pur (feine, leicht staubend: 0-5 mm, oder gesiebt 2-5 mm)

    b) Granulierte Pflanzenkohle mit NPK Dünger: ähnelt Blaukorn, Ausbringung über betriebsübliche Technik

    c) Pflanzenkohle mit Dünger (Körnig, 0,2 – 5 mm, mineralischer N Dünger: Harnstoff, Ammonium und Nitratstickstoff)

    d) Pellets mit PK (z. B. mit Schafwolle, Hornmehl oder Kompost)

  • Pflanzenkohle, vor allem unverarbeitet, direkt nach der Pyrolyse, weist eine sehr geringe Schüttdichte und schlechte Rieselfähigkeit auf. Dies führt dazu, dass Pflanzenkohle nur suboptimal, z.B. mit modifizierten Kasten- oder Wintersdienststreuern ausgebracht werden kann. Betriebe ohne Tierhaltung können die Kohle auch nicht schon bei der Fütterung, oder im Stall mitdazugeben um sie dann über den Miststeuer auszubringen. Weitere Möglichkeiten sind eine Beimischung zu Gärresten oder sonstigen Grünabfällen, die auf dem Betrieb anfallen. Dies setzt aber voraus, dass es Möglichkeiten zum Mischen gibt und genug Grünschnitt zur richtigen Zeit anfällt. Um flexibler agieren zu können, sollen deshalb weitere Methoden entwickelt werden.

    Bunte Blattsalate, Brokkoli, Rosenkohl und Grünspargel, die Palette der in der Region angebauten Gemüsesorten ist lang. Ob Dämme, Beete, gesetzt oder gesät, jede Gemüsesorte hat ihre eigenen Anbauspezifikationen, die von jedem Betrieb auf seine eigene Weise umgesetzt wird. Daraus ergibt sich ein von Betrieb zu Betrieb unterschiedlicher Fuhrpark und es müssen verschiedenen Strategien zur Ausbringung und Einarbeitung der Pflanzenkohledünger gefunden werden.

    – Grobkörnige oder ganulierte Pflanzenkohledünger: Beetweiseausbringung mit Kastenstreuer (modifiziert mit Aufbau um größere Volumen mitzuführen)

    – Feinkörnige Pflanzenkohle: Breitflächige Ausbringung mit Kalkschneckenstreuer inkl. Staubschutz

    – Pellets & Kastenstreuer oder Schleuderstreuer

    – Granulierte PK Kohle: Kastenstreuer (ggf. Schleuderstreuer)

    – Jegliche Arten von Pflanzenkohleprodukten: Punktgenaue Ausbringung von Hand auf kleinen Versuchsflächen

  • Im Projekt wurde um die 1 Tonne Pflanzenkohle pro Hektar auf meist gute, eher kalkhaltige, alkalische Böden großflächig ausgebracht. Aus vielen Studien weiß man, dass dies nicht zu einem sofortigen Mehrertrag auf diese Weise kommt, die Ausbringung größerer Mengen aber nicht ökonomisch ist. Daraus leiten sich zwei Fragestellungen für die Zukunft ab:

    1. Wird eine wiederholte Applikation über viele Jahre eine Bodenverbesserung nach sich ziehen?

    2. Kann man über die konzentrieret Wurzelzonen Applikation ggf. auch auf guten Böden ein Effekt erzielen?

    Die soll in den kommenden Jahren getestet werden. Herausfordernd bei der Einschätzung des „Mehrertrag durch Pflanzenkohle“ ist, dass das tatsächliches Gewicht, bzw. kleine Unterschiede zw. den Pflanzen aus landwirtschaftlicher Sicht oft nicht ausschlaggebend sind, da zum einen oftmals nur die größten Pflanzen gestaffelt geerntet werden und zum anderen die Vermarktung nicht über Kilogramm sondern Stück erfolgt.

    Gemüsepflanzen, als Naturprodukt, entwickeln sich nicht alle gleich. Obwohl theoretisch jede Pflanzen auf jedem Feld die selbe Menge Dünger, Wasser und Sonnenlicht abbekommt, wachsen die Pflanzen unterschiedlich schnell. So können kleine Unterschiede, z. B. durch eine andere Düngung, im Rauschen der Natur untergehen.

  • Im Rahmen des Projektes soll unbehandelte (nicht mit Nährstoffen beladene) Pflanzenkohle in Blühstreifen zur Nährstoffbindung und damit zur Spontanabhagerung eingesetzt werden. Die Böden der Felder sind meist sehr Nährstoffreich und die eingesäten Blühpflanzen konkurrieren auf den Flächen mit konkurrenzstarken, nährstoffliebenden Ackerunkräutern. Um den eingesäten Arten einen besseren Start zu bieten, wird ungeladene Pflanzenkohle in großen Mengen auf die Blühfläche gebracht. Es soll untersucht werden, welche Auswirkung dies auf das Pflanzenwachstum und die Biodiversität hat. Durch die PK werden Nährstoffe gebunden, dies wirkt sich sowohl direkt auf die Pflanzen (z. B. Unkrautdruck, ggf. geringere Folgeverunkrautung) als auch indirekt (z. B. lichtere Vegetation im Blühstreifen) auf die Insekten aus.

    Da die Ausbringung großer Mengen Pflanzenkohle (bis zu 20 t/ha) aufgrund der geringen Schüttdichte sich schwierig gestaltetet, konnten 2023 nur wenige Flächen, teils von Hand, angelegt werden. Unterschiede in der Vegetation waren keine sichtbar, zumal die „Historie“ der Flächen (vorherige Bewirtschaftung) einen großen Einfluss hatte. Wir gehen davon aus, dass durch die lange Trockenheit im Mai/Juni, nach Anlage der Blühstreifen, keine Bindung von Nährstoffen durch die Pflanzenkohle erfolgt, da schlichtweg das Wasser dazu fehlte.

  • Blühstreifen sind eine etablierte Maßnahme im Gemüsebau, meist werden sie für eine Saison angelegt und im Spätsommer/Herbst wieder umgebrochen. So wird über den Sommer ein, zeitlich begrenztes, meist aus Kulturarten bestehendes Nektar- und Pollenangebot geschaffen. Mehrjährige Blühflächen (3-5 Jahre Standzeit) wird generell eine höhere ökologische Wertigkeit zugesprochen, da sie nicht nur über den Sommer, sondern auch im Winter einen Platz für Tiere bieten und meist heimische Wildpflanzenarten beinhalten. Zudem kann über die längere Bodenruhe Humus aufgebaut und somit CO2 der Atmosphäre entzogen werden.

    Kurze Kulturstandzeite und Pachtverträge, intensive Bearbeitung und mögliche Erhöhungen des Schädlingsdrucks (z. B. Mäuse, Unkräuter und Schnecken) spielen bei der Abwägung ob ein- oder mehrjährig eine bedeutende Rolle. Im Rahmen des Projektes möchten wir zusammen mit den Landwirten erörtern, welche Voraussetzung es bräuchte, damit mehrjährige Blühstreifen in Frage kommen.

  • Viele Nützlinge, wie Florfliegen, Schlupfwespen und Schwebfliegen brauchen vor allem als ausgewachsenes Tier Nektar und Pollen, um zu fliegen und sich erfolgreich zu vermehren. Als Larve ernähren sie sich von allerlei unliebsamen Krabbeltieren, wie den Läusen oder Raupen von Schadschmetterlingen. Um die natürlichen Feinde der Schädlinge zu unterstützen und chemische Pflanzenschutzmittel einzusparen, können Blühstreifen in der sonst sehr blütenarmen Agrarlandschaft durch ein reiches Angebot an Nektar helfen.

Intradisziplinärer Austausch

Workshop zur Halbzeit unseres Projekts

In einem intradisziplinären Workshop mit externen, unsere Forschungsthemen betreffenden Experten, haben wir über zwei Tage hinweg unsere Forschungs- und praktische Arbeit reflektiert.

Am ersten Tag besichtigten wir den Lindenhof und den Demeterhof Witt in der Umgebung von Offenburg und bekamen anschaulich gezeigt und erklärt, wie sie Pflanzenkohlen und Blühstreifen für die Unterstützung der Biodiversität einsetzen. Wir bekamen neue Perspektiven zur Vielfältigkeit der Pflanzenkohlenutzung in der Landwirtschaft und im Gemüsebau. Am zweiten Tag trafen wir uns im Besprechungsraum der Edeka Südwest in Offenburg, um inhaltlich die Erfahrungen der 2023 durchgeführten Versuche zu reflektieren, die Versuche des Projektjahres 2024 zu besprechen und die herausfordernden Themen, nämlich Ausbringung der Pflanzenkohle, Wechselwirkungen von Pflanzenkohle und Pflanzenschutzmitteln, Umsetzung von mehrjährigen Blühstreifen und die Erhebung und Zusammenstellung von Daten zur Nutzung von Pflanzenkohle im Gemüsebau, um praxisorientierte, leicht verfügbare Handlungsempfehlungen anbieten zu können.